Das BSW Verordnet Sich Frieden


Das Bündnis Sahra Wagenknecht entscheidet sich in Thüringen und Brandenburg dafür, mitzuregieren. In die Partei soll Frieden einkehren. Für CDU und SPD will man unbequem bleiben.

Da stehen sie. Katja Wolf, über die Menschen, die sie in den vergangenen Monaten eng beobachtet haben, sagen, sie wäre bereit gewesen, mit Sahra Wagenknecht zu brechen. Daneben Wagenknecht selbst, der Wolfs Verhandlungsergebnisse für eine Thüringer Brombeer-Koalition mehrfach zu lasch gewesen waren und die es zugelassen hat, dass ihre Partei das führte, was sie in der FDP wohl eine “offene Feldschlacht” nennen. Nur eben gegen die eigene Parteifreundin Wolf. Jetzt ist alles vorbei.

In der Stadthalle von Ilmenau haben die Thüringer Mitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht kurz vor dieser Pressekonferenz den Koalitionsvertrag mit CDU und SPD angenommen – so wie vorher schon die CDU. Wenn es nicht noch an der SPD scheitert, dürfte Katja Wolf nach diesem Samstag sehr bald stellvertretende Ministerpräsidentin sein. Sahra Wagenknecht führte dann eine Partei, die kein Jahr nach ihrer Gründung an zwei Landesregierungen beteiligt wäre. Dafür hat sich das BSW verordnet, was es dem Land gerne geben würde: “innerer und äußerer Frieden”.

Thüringen: Eine Art Aufarbeitung

Ralph Suikat, der wie Wagenknecht angereiste Bundesschatzmeister, der Wolf und ihren Co-Vorsitzenden Steffen Schütz vor wenigen Wochen besonders hart angegangen war, hatte in seiner Rede noch von “öffentlichen Impulsen” gesprochen. Am Ende umarmte er Wolf und Schütz demonstrativ.

Auch die beiden Landeschefs wollten am liebsten den Streit vergessen machen, merkten lediglich an: “Manches hätte diplomatischer formuliert sein können.” Jedoch tue es ihr in der Seele weh, so Wolf, “wenn versucht wird, einen Keil zwischen Sahra und mich zu treiben”.

Wagenknecht war es dann gewesen, die den Konflikt am klarsten nachzeichnete. Das Sondierungsergebnis und eine vorab ausgehandelte Präambel hätten nicht gereicht, sagte sie und bedankte sich bei Kritikern inner- und außerhalb des Landesverbandes. Dann räumte sie erstmals ein: “Es gab sicherlich einen Tonfall in der Debatte, der war nicht gut.”

Streit bremst Aufstieg der Partei

Das BSW hat gezeigt, wie wichtig ihm Außen- und Sicherheitspolitik sind. Im Thüringer Papier steht, dass sich CDU, BSW und SPD zu mehr Diplomatie bekennen und Sorgen vor Krieg “ernstnehmen”, bei Waffenlieferungen an die Ukraine aber unterschiedliche Auffassungen haben. Einen Satz zur Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen interpretiert jede Partei anders – das BSW versteht ihn als Kritik.

Allerdings schwächelt die Partei, die sich auch in Brandenburg für den Gang in eine Koalition entschieden hat – und in Sachsen dagegen -, aktuell in der Wählergunst. Umfragen sehen sie bei vier bis acht Prozent. Die Bundestagswahl ist kaum noch zwei Monate weg.

Wagenknecht räumt mittlerweile offen ein, dass die unterschiedlichen Erwartungen von regierungswilligen Anhängern einerseits und Dogmatikern andererseits schwer zusammenzubringen sind. In der Partei scheint sich die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass die Art und Weise, wie Konflikte geführt wurden, kaum geholfen hat. Über andere BSW-Kernthemen wie sozialer Wohnungsbau, handlungsfähige Kommunen oder eine Rückkehr zu einem Schulbild der Neunziger Jahre wurde weit weniger gesprochen und geschrieben.

Taurus würde zum Lackmustest

Manchem Mitglied in Ilmenau behagt der Kompromiss nicht. Und andere fragen, wie das gut gehen soll mit der CDU in Thüringen, wenn deren Bundespartei ab kommenden Jahr auch mit einem Kanzler Friedrich Merz im Bund regieren könnte. Wenn Katja Wolf in Ilmenau diese Bundes-CDU “Kriegstreiber” nennt. Steffen Schütz eine “Zumutung” sein will. Und Sahra Wagenknechts größtes Lob für den Koalitionsvertrag lautet: “Merz gefällt der sicher nicht.”

Frage auf der Pressekonferenz nach der Abstimmung: Wie soll sich eine künftige Landesregierung nun verhalten, wenn eine Bundesregierung etwa Taurus an die Ukraine liefere? Wagenknecht antwortet zurückhaltend. Das Thüringer BSW würde sich da “sicher positionieren”.

Es ist Wolf neben ihr, die diesmal nachschärft. Der Koalitionsvertrag müsse dann “mit Leben gefüllt” werden. Es wäre ihre Erwartung, dass die gesamte Landesregierung “laut und vehement die Stimme erhebt”. Also eben nicht nur das BSW.

Brandenburg: Gegenseitiger Dank

Am Tag zuvor hatte sich bereits das Brandenburger BSW in Potsdam versammelt. Das Sondierungspapier hier galt zunächst als Maßstab für Thüringen. Brandenburgs SPD-Chef Dietmar Woidke war dem BSW weit entgegengekommen. Im Koalitionsvertrag findet sich Kritik an Waffenstationierungen und -lieferungen.

Auf den Parteitagen, die beide Parteien kurz nacheinander abhielten, lobte man sich gegenseitig. “Die SPD hat sich sehr bewegt”, sagte BSW-Landeschef Robert Crumbach. Dietmar Woidke, der wieder Ministerpräsident werden will, dankte dem BSW für das “entgegengebrachte Vertrauen”. Und auch wenn Woidke anfügte, beim Thema Krieg und Frieden werde es weiterhin “andere Auffassungen” geben: Es könnte in Brandenburg wohl einfacher laufen als in Thüringen.

Am Ende nahmen beiden Parteien einstimmig den Koalitionsvertrag an. Ein kritischer BSW-Landtagsabgeordneter, der angekündigt hatte, Woidke nicht zum Ministerpräsidenten wählen zu wollen, war dem Parteitag ferngeblieben. An seine Adresse sagte Sahra Wagenknecht zu Journalisten: “Dieses einhellige Votum ist irgendwie auch eine Verpflichtung”, über die man sich nicht hinwegsetzen sollte.

BSW verändert sich

Kontrollieren kann Wagenknecht die künftigen Abstimmungen in den Landtagen nicht. Wie viel Macht im BSW dennoch bei ihr und dem Bundesvorstand liegt, zeigt die Pressekonferenz in Ilmenau. Katja Wolf sagt, nachdem man eigene Fehler eingestanden und mit Wagenknecht über “Enttäuschung” gesprochen habe, sei es auch gelungen, “rauszuhandeln”, dass ihr Landesverband neue Mitglieder in “nicht unerheblicher Zahl” habe aufnehmen dürfen.

126 Mitglieder sind es aktuell in Thüringen. Knapp 1.200 hat die Partei insgesamt. Der Bundesvorstand entscheidet bislang über jede Aufnahme und hatte den Landesverband mitten im Streit mit selbst ausgewählten Neumitgliedern unter Druck gesetzt.

Doch die Partei wandelt sich. Bei der Aufstellung für die Bundestagswahl am Samstagnachmittag reiht sich in Ilmenau Kampfkandidatur an Kampfkandidatur. Über manchen Platz muss mehrfach abgestimmt werden. Vorbei sind die Zeiten der Landtagswahlen, als fast alle Mitglieder eines Landesverbandes auf vorher mit Wagenknecht abgestimmten Listen Platz fanden.

Auch die drei Minister, die das BSW in das Brandenburger Kabinett schicken will, hat nicht Wagenknecht selbst ausgewählt, sondern die Partei vor Ort. In Thüringen sind sich CDU, BSW und SPD noch nicht final über die Ministerienverteilung einig.

In ihrer Rede in Potsdam hatte Wagenknecht den künftigen BSW-Spitzenpolitikern einen Auftrag mitgegeben: Es würde in künftigen bundespolitischen Debatten helfen, “wenn wir dann Minister haben, die sich dazu äußern können”. Das dürft auch für Katja Wolf gelten.

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