Diskussionen um das World Economic Forum (WEF) ziehen oftmals Spekulationen über eine mögliche Neugestaltung der globalen Ordnung nach sich. Im Fokus steht vor allem der „Great Reset“. Diese Entwicklungen werfen eine gewichtige Frage auf: Inwieweit ist es bedenklich, dass das WEF als Bildungsschmiede für die politische und wirtschaftliche Elite fungiert?
Seit seiner Gründung im Jahr 1971 hat das World Economic Forum (WEF) eine maßgebliche Rolle in der globalen Wirtschaft und Politik eingenommen – ein Netzwerk von etwa 3000 Mitgliedern, das zweifelsohne zu den einflussreichsten weltweit gehört. In diesem exklusiven Kreis finden sich Staatsoberhäupter, globale CEO-Größen, Mitglieder königlicher Dynastien, Künstler und Milliardäre, die aufgrund ihrer Position, ihres Vermögens oder ihrer Sphären außergewöhnliche Macht ausüben.
Kaum eine Institution verkörpert die Vision einer technokratisch-zentral gesteuerten neuen Weltordnung so sehr wie das WEF. Für dessen Gründer Klaus Schwab bildet die Covid-19-Pandemie den katalytischen Auslöser für eine drastische Umgestaltung der globalen Ordnung. Der „The Great Reset“, den er öffentlichkeitswirksam propagiert, soll nach seiner Vision zu einer umfassenden Neuordnung der Weltwirtschaft und Gesellschaft führen, die auf Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und technologischen Fortschritt abzielt.
Im vergangenen Jahr produzierte Schwab einige markante Videos zu diesem Konzept. Besonders bemerkenswert war eines, das den Slogan „You will own nothing. And you will be happy“ („Du wirst nichts mehr besitzen, aber glücklich sein“) trug – seine Vision für das Jahr 2030, die Schwab mit Gleichgesinnten aus Politik und Wirtschaft teilt.
Ausbildungsstätte der Elite
Kritiker sehen im „Great Reset“ eine potenziell undurchsichtige Agenda zur Umgestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft durch Elitegruppen, die Befürchtungen hinsichtlich Machtzentralisierung und individueller Freiheit aufwirft. Einige mutmaßen, dass diese Programme eine verschleierte Strategie umfassen könnten, die darauf abzielt, die globale Ordnung radikal zu transformieren – mit handverlesenen Mitgliedern, die im Stande wären, weltweit die politische, wirtschaftliche und soziale Kontrolle auszuüben.
Fakt ist, dass das WEF neben der öffentlichen Wahrnehmung eine ebenso wichtige, jedoch oft weniger sichtbare Rolle spielt: Es dient als Ausbildungsstätte für politische Führungskräfte und andere einflussreiche Persönlichkeiten. Damit ist es nicht nur eine Arena für Diskurse, sondern fungiert vielmehr als regelrechte Eliteschule für die zukünftige Entscheidungsträger unserer Welt.
Eine Facette dieses Bildungsansatzes manifestiert sich in den „Young Global Leaders“ (YGL), einer Gruppe ausgewählter Talente aus Politik und Wirtschaft, die bereits in bedeutenden Positionen agieren und bereit sind, an Kursen und Meetings teilzunehmen. Der Weg in diesen exklusiven Kreis erfordert eine anspruchsvolle Bewerbung und ein rigoroses Auswahlverfahren, was den begehrten Status umso wertvoller macht.
Bekannte Namen wie der Microsoft-Gründer Bill Gates, der Weltbank-Chef und Wirtschaftsberater Larry Summers sowie politische Schwergewichte wie Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und Tony Blair zählen zu den Absolventen dieses Programms. Auch Künstlerin Jodie Foster, Rennfahrer Nico Rossberg und die deutsche Moderatorin Sandra Maischberger haben daran teilgenommen. Gegenwärtig absolviert Außenministerin Annalena Baerbock den WEF-Ausbildungszyklus. Diese illustre Riege unterstreicht, dass das WEF nicht nur ausbildet, sondern auch weltweit einflussreiche Persönlichkeiten miteinander vernetzt.
Das WEF betont unablässig, dass seine Bildungsprogramme darauf abzielen, Führungspersönlichkeiten hervorzubringen, die positiven Wandel und soziale Verantwortung anstreben. Unbestreitbar bleibt allerdings, dass diese Netzwerke angesichts der politischen und wirtschaftlichen Wirkkraft ihrer Absolventen möglicherweise eine immense globale Tragweite entwickeln können.
Macht, Netzwerke und die Agenda des WEF
Darüber hinaus könnte die Ausbildung einflussreicher Politiker im WEF durchaus auf eine Übereinstimmung mit den Zielen und Zwecken des „Great Resets“ hindeuten. Wenn dieses Forum, das sich als Schmelztiegel für politische Führer und Wirtschaftsmagnaten sieht, seine Programme „lehrt“ und die Köpfe dieser Sphären formt, liegt die Vermutung nahe, dass die Absolventen nicht nur akademische Erkenntnisse aufnehmen, sondern auch die Essenz der dort vermittelten Ziele.
Die Annahme wird durch die Aussagen von Ursula von der Leyen gestützt, der Präsidentin der Europäischen Kommission und einstige Teilnehmerin der Young Global Leaders. Sie sieht im „Great Reset“ eine einzigartige Möglichkeit, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, insbesondere dem Schutz der Umwelt und der Demokratie. Sie ist überzeugt, dass dieser Ansatz der Schlüssel zu einer widerstandsfähigen Zukunft ist, die stärker auf Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist.
Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass nicht jeder Teilnehmer zwangsläufig jedem Ziel bedingungslos zustimmt. Das breite Spektrum der Gäste und Absolventen, von Wirtschaftskapitänen bis hin zu Politikern, Journalisten, Sportlern und Künstlern, zeigt die Diversität der Teilnehmer. Diese bunte Mischung lässt vermuten, dass sich aus den Diskussionen und Bildungsinitiativen des WEF keine monolithische Einheitsmeinung ergibt. Doch gleichzeitig ist zu unterstellen, dass das WEF bei vielen der Absolventen mit seinen Ideen und Konzepten Gehör findet.
Die Umsetzung des Great Resets
Die Verwirklichung der Vorschläge hängt von einer Reihe von Faktoren ab: Der Dynamik des politischen Umfelds, den Entwicklungen der nächsten Jahre, den verfügbaren Ressourcen und nicht zuletzt der Zustimmung der Bevölkerung. Das WEF selbst betont, dass der Great Reset als „Diskussionsplattform“ dient und dass die konkreten Schritte und Maßnahmen für eine nachhaltigere Zukunft eingehend erörtert werden müssen.
Einige der Vorschläge finden sich schon seit längerem auf den politischen Agenden vieler Länder. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen verfolgt ähnliche Ziele wie der Great Reset, darunter soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Deutschland hat bereits im September 2015 auf der Sitzung der 70. UN-Generalversammlung sein Engagement für die Umsetzung der Agenda 2030 bekundet.
Auch Europa hat umfassende Pläne: Bis 2050 strebt der Kontinent an, klimaneutral zu werden und präsentierte 2019 den „European Green Dea“ als umfassende Strategie zur Bewältigung der Klimakrise und Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft in der Region. Unter anderem sollen bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduziert werden.
Quelle : deutsche-wirtschafts-nachrichten.de