Das Verhältnis zwischen Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock gilt als angespannt. Diese Woche sind beide zur UN-Generaldebatte in New York. Wie machen sie Außenpolitik – und wer hat das Sagen?
Sie sind ein ungleiches Duo: Olaf Scholz und Annalena Baerbock, der Kanzler und die Außenministerin. Öffentlich sprechen die beiden selten übereinander. Im Februar allerdings ließ es sich Baerbock nicht nehmen, gegen den Kanzler zu sticheln – praktischerweise in einer Karnevalsrede, in der immer etwas unklar bleibt, was wie ernst gemeint ist.
Da schickte Baerbock erst noch voraus, gewarnt worden zu sein, keine Witze über den Bundeskanzler zu machen. Um dann – mit Bezug auf die häufigen eigenen Versprecher – zu sagen: “Keine Versprecher macht man ja nur, wenn man gar nichts sagt. Das können andere besser.”
Gemeint war natürlich der Kanzler, der manchmal gar nichts sagt. Im Kontrast dazu die Außenministerin, die manchmal zu viel sagt. Beides ist nicht nur Temperament, sondern auch politische Überzeugung. Scholz warnt, beim Regieren solle man nicht schnell sagen, was man sich vielleicht besser noch einmal gut überlegt hätte. Baerbock geht dagegen oft nach ihrem Motto voran, nicht um den heißen Brei herumzureden, sondern gerade bei kontroversen Themen offene Worte zu finden.
Konkurrenz um die nächste Kanzlerschaft?
Diese offenen Worte gab es von Baerbock immer wieder – gerade im ersten Regierungsjahr: Die Ministerin kritisierte öffentlich und ungewöhnlich scharf die Regierungen Chinas und der Türkei, sodass diese sich beschwerten. Und Baerbock ließ auch nicht locker, die eigene Regierung zu schnelleren Waffenlieferungen an die Ukraine anzutreiben.
Der einsilbige Kanzler ist in diesen Momenten nicht amüsiert. Er hält nichts von Konfrontation auf offener Bühne. Gefragt nach einem möglichen Konflikt zwischen Scholz und Baerbock stellte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann im Januar klar, das Arbeitsverhältnis zwischen den beiden sei gut. Und sie ergänzte: “Soll ich jetzt von Liebe sprechen? Nein.”
In der Liebe mögen sich Gegensätze anziehen – Außenpolitik aus einem Guss entsteht so nicht. Dazu kommt die weiter bestehende persönliche Rivalität: Vielleicht treffen Scholz und Baerbock auch im Bundestagswahlkampf 2025 aufeinander, konkurrierend um die nächste Kanzlerschaft.
Scholz beschwört Einheit der Bundesregierung
Inzwischen scheint die grüne Ministerin etwas vorsichtiger geworden zu sein. Bevor sie den SPD-Kanzler kritisiert, beißt sie sich jetzt öfter auf die Zunge. So wie Mitte September, als Baerbock in Interviews in Kiew immer wieder gefragt wurde, ob der Kanzler die schnelle Lieferung der “Taurus”-Marschflugkörper blockiere. Da ließ die Ministerin nur den Mundwinkel zucken und verkniff sich das offene Wort.
Schon im Juni hatten Kanzler und Außenministerin Geschlossenheit bei der Präsentation der Nationalen Sicherheitsstrategie demonstriert. Es war einer der seltenen gemeinsamen Auftritte. Beide mussten erklären, warum das umstrittene Strategiedokument der Regierung nicht früher fertig wurde und wie groß der Streit darüber war.
Scholz beschwor da die Einheit der Bundesregierung. Und Baerbock ließ durchblicken, dass auch ihr bewusst ist, wer am Ende entscheidet in der Regierung, auch in der Außenpolitik, nämlich der Bundeskanzler.
Quelle : tagesschau