Mehrere Schüsse, drei Tote und viele offene Fragen: Nach dem Angriff auf Kurden in Paris laufen die Ermittlungen. Was ist über das Motiv des mutmaßlichen Täters bekannt? Wie reagiert die kurdische Gemeinschaft? Ein Überblick.
Was ist passiert?
In Paris hat ein Mann am Freitag um sich geschossen und drei Menschen tödlich verletzt und drei weitere verwundet. Die tödlichen Schüsse wurden unter anderem in einem kurdischen Gemeindezentrum abgefeuert. Wie die Stadtteilbürgermeisterin des zehnten Pariser Arrondissements, Alexandra Cordebard, sagte, feuerte der Angreifer auch in einem Restaurant und einem Friseursalon gegenüber des Zentrums in der Nähe des Bahnhofs Gare de l’Est Schüsse ab.
Ein Augenzeuge berichtete später, was er beobachtete. “Wir sind die Straße entlang spaziert, da haben wir Schüsse gehört und uns umgedreht.” Die Menschen seien dann nach rechts und links ausgewichen. Wenige Minuten später habe der Augenzeuge gesehen, wie ein “älterer großer Mann im Friseursalon verhaftet worden ist” – auch drei Verletzte habe er gesehen.
Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Er befindet sich in Polizeigewahrsam. Auch er sei verletzt worden, hieß es. Die Staatsanwaltschaft ermittele inzwischen auch wegen eines möglichen rassistischen Motivs, teilte die französische Staatsanwaltschaft am Mittag mit – wegen des Verdachts auf Mord, versuchten Mord, Waffengewalt und Verstoßes gegen das Waffengesetz aus rassistischen Motiven. Dem Franzosen drohe damit eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Der Tatort – die kleine Rue d’Enghien im 10. Pariser Arrondissement – ist normalerweise eine belebte Straße mit Gemüseladen, Apotheke, Cafés, aber auch mit dem kurdischem Kulturzentrum, Barbiershop und kurdischem Restaurant.
Wer waren die Opfer?
Der Anwalt des kurdischen Gemeindezentrums gab bekannt, bei allen drei Todesopfern habe es sich um Mitglieder der kurdischen Gemeinde gehandelt.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 69 Jahre alten Franzosen, ein früherer Lokführer aus dem Pariser Umland. Laut Staatsanwältin Beccuau ist der Mann wegen zwei Vorfällen polizeibekannt.
Der Verdächtige war laut Staatsanwaltschaft erst vor Kurzem unter Justizaufsicht aus der Haft gekommen. Im vergangenen Jahr habe er ein Zeltlager von Migranten angegriffen und mehrere Menschen verletzt. Medienberichten zufolge griff er mit einem Säbel an. 2016 soll er einen Menschen mit einem Messer attackiert haben.
Welches Motiv hatte der mutmaßliche Täter?
“Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen”, sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin über den mutmaßlichen Täter. Ob sich der Anschlag explizit gegen Kurden richtete, sei aber unklar. Der Verdächtige sei nicht als Rechtsextremist bei den Sicherheitsbehörden erfasst gewesen, ein rechter Hintergrund der Tat werde aber geprüft.
Ermittlerkreisen zufolge räumte der mutmaßliche Täter selbst ein rassistisches Motiv ein. Der 69-Jährige habe einem Polizisten bei seiner Festnahme gesagt, er habe gehandelt, weil er “Rassist” sei.
Auch Bürgermeisterin Anne Hidalgo spricht von einem rechtsextremen Täter. “Die kurdische Gemeinschaft und durch sie alle Pariser wurden durch diese Morde, die von einem rechtsextremen Aktivisten begangen wurden, ins Visier genommen”, schreibt Hidalgo auf Twitter.
Wie reagieren die Sicherheitsbehörden?
Auch wenn noch nicht klar ist, ob der Angriff sich explizit gegen die kurdische Gemeinde gerichtet hat, will Frankreich kurdische Treffpunkte nun schützen. Landesweit sollten durchgehend Wachen an Versammlungsorten der kurdischen Gemeinde aufgestellt werden. Darmanin wollte zudem prüfen, ob es weitere Bedrohungen gegen Kurdinnen und Kurden in Frankreich gebe. Der Innenminister kündigte weiter an, auch türkische diplomatische Vertretungen im Land zu schützen, um Gegenangriffe zu verhindern.
Emmanuel Grégoire, der für die Pariser Bürgermeisterin arbeitet, schrieb auf Twitter von einer medizinisch-psychologischen Notaufnahme, die im Rathaus eingerichtet worden sei. Sie sei für Menschen gedacht, die den Vorfall beobachtet haben oder anderweitig betroffen seien.
Wie reagiert die kurdische Gemeinschaft?
Noch am Freitagnachmittag versammelten sich in der Nähe des Angriffsorts zahlreiche Kurdinnen und Kurden. Kurz nach dem Besuch von Innenminister Darmanin vor Ort kam es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Medien berichteten, Demonstranten hätten die Polizei beworfen. Diese habe Tränengas eingesetzt. Der Sender France Info schrieb von einer Festnahme und fünf verletzten Polizisten.
Der Demokratische Kurdische Rat in Frankreich (CDK-F) als Dachverband von 24 kurdischen Vereinen wertete den Angriff als “terroristische Attacke”, zu der es nach zahlreichen türkischen Drohungen gekommen sei. Die Toten und Verletzten seien kurdische Aktivisten. Die Türkei bekämpft seit langem kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen, die von der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und weiteren kurdischen Organisationen vorangetrieben werden.
Seit dem Mittag halten Kurdinnen und Kurden in Paris eine Demonstration ab. Der Pariser Polizeichef hatte zuvor Mitglieder der kurdischen Gemeinde getroffen, um zu versuchen, ihre Ängste vor der Kundgebung zu zerstreuen.
Source : Tages Schau