Verbot Von Pestizid-exporten – Mit Lücken

Exporte von in Europa nicht zugelassenen Pestiziden sollen weitgehend unterbunden werden – so das Versprechen. Doch ein bisher unveröffentlichter Referentenentwurf aus dem Landwirtschaftsministerium, der Monitor vorliegt, lässt viele Ausnahmen zu.

Viel ist von “Doppelmoral” die Rede, wenn es um den Export hochgiftiger Pflanzenschutzmittel aus Deutschland und Europa geht. Vor allem bei Substanzen, die in Europa nicht zugelassen sind, aber trotzdem exportiert werden dürfen – auch von deutschen Großunternehmen wie Bayer, BASF oder Alzchem. In den betroffenen Ländern selbst löst das Empörung aus.

So sieht Maria Elena Rozas vom der chilenischen Pestizid-Aktions-Netzwerk RAP “eine Bedrohung der biologischen Vielfalt und eine Verletzung der Menschenrechte, insbesondere der schwächsten Bevölkerungsgruppen, nämlich der Kinder, die in der Nähe landwirtschaftlicher Kulturen leben, und der Landarbeiterinnen”.

Jährlich etwa 385 Millionen Vergiftungen

Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2020 gibt es jährlich weltweit etwa 385 Millionen Vergiftungen und circa 11.000 Tote durch toxischen Pestizideinsatz. “Das ist ein guter Grund, dafür zu sorgen, dass genau die Pestizide, die diese Vergiftungen verursachen, vom Markt verschwinden und im ersten Schritt dazu aus Europa und aus Deutschland nicht mehr exportiert werden dürfen” sagt Peter Clausing, Mitautor der Studie und Toxikologe beim Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN.

Genau das hatte auch die Regierungskoalition versprochen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: “Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind”.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bekräftigte das: “Es geht nicht an, dass wir nach wie vor Pestizide produzieren und exportieren, die wir bei uns mit Blick auf die Gesundheit der Menschen zu Recht verboten haben”, sagte er im vergangenen Jahr.

Verbotsverordnung mit Lücken

Dem ARD-Magazin Monitor liegt nun ein Verordnungsentwurf vor, mit dem das angekündigte Exportverbot umgesetzt werden soll. Tatsächlich soll demnach ein beschränktes Exportverbot kommen. Grundlage dafür ist eine Liste mit 180 in der EU verbotenen Pestiziden.

Eine Liste, auf der jedoch wichtige gesundheitsschädliche Stoffe fehlen, sagen Kritiker. Darunter das vermutlich auch die Fortpflanzung gefährdende Imidacloprid, bekannt für seine Toxizität für Bienen und andere Bestäuberinsekten. Oder Iprodione, ein Fungizid, das in das Hormonsystem des Menschen eingreift.

Toxikologe Clausing, dem Monitor die Liste zur Prüfung vorgelegt hat, sieht enorme Lücken. Vergleiche man die Liste mit den Stoffen, deren Verwendung in der EU selbst verboten sind, fehlten viele Substanzen, sagt er: “Daran gemessen fehlen ungefähr ein Drittel der akut toxischen Stoffe, ein Drittel der erbgutschädigenden Stoffe, ein Viertel der krebserregenden Stoffe und 20 Prozent der reprotoxischen Stoffe, also die Fortpflanzung gefährdenden Stoffe. Und ich kann nicht verstehen, warum diese Stoffe in der Liste nicht enthalten sind”, so der Experte.

Exportverbot nur für fertige Produkte

Ein noch grundsätzlicheres Problem sehen Kritiker aber darin, dass die Verordnung lediglich den Export von fertigen Pflanzenschutz-Produkten verhindert, in denen die gesundheitsschädlichen Substanzen auf der Liste enthalten sind. Das bedeutet: Die giftige Grundsubstanz selbst kann demnach weiter exportiert werden.

Und überhaupt nicht verboten werden soll – bis auf wenige Ausnahmen – der Export von hochgiftigen umweltschädlichen Stoffen – egal ob als Grundsubstanz oder in Form von fertigen Produkten. Damit biete die Verordnung Konzernen wie Bayer, BASF, Syngenta oder Alzchem immense Schlupflöcher, um die Ausgangsstoffe der Pestizide aus Deutschland weiter zu exportieren, sagt Laurent Gaberell von Public Eye. “Die fertigen Pestizide-Produkte daraus werden dann einfach außerhalb Deutschlands oder der EU hergestellt.”

Warum aber wird nicht auch der Export der Grundsubstanzen mit der Verordnung verboten? Auf Monitor-Anfrage schreibt das Ministerium, eine rechtliche Prüfung im Vorfeld habe ergeben, “dass die Ziele des Koalitionsvertrages zum Verbot der Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel mit einer Verordnung nach dem Pflanzenschutzgesetz umgesetzt werden können”.

Für ein umfassenderes Verbot hätte das Ministerium anstatt einer Verordnung ein Gesetz erlassen müssen. Doch auf eine weitreichendere Regelung konnte sich die Ampel-Koalition nicht einigen, bestätigt der Pestizidexperte der Grünen-Fraktion im Bundestag, Karl Bär. “Ich hätte auch gerne ein Verbot von Stoffen, die auch umweltschädlich sind. Aber im Koalitionsvertrag steht halt ganz klar drin, dass es um gesundheitsschädliche Stoffe geht.”

Doch selbst der aktuelle Entwurf werde von der FDP in Frage gestellt: “Ich erwarte mir jetzt auch von den Koalitionspartnern, die das nicht wollen, und das ist die FDP, dass wir da schnell zu einem Ergebnis kommen”, so Bär im Interview mit Monitor.

Die FDP-Fraktion begründet ihre Skepsis mit der Sorge, dass “pauschale Exportverbote” zur Verlagerung der Produktion in Länder außerhalb der EU führen könnten. Das nütze weder den Anwendern noch der Umwelt. Hersteller und Verbände der Agrochemie argumentieren ganz ähnlich.

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Cornelia Möhring kritisiert den aktuellen Verordnungsentwurf hart: “Mit dieser löchrigen Gummi-Verordnung, mit der die Chemieunternehmen schädliche Pestizide weiter im Ausland herstellen und auf die Äcker bringen können, fällt das Özdemir-Ministerium weit hinter die eigenen Forderungen der Grünen zurück, die sie als Opposition im Bundestag selbst gestellt haben”. Möhring fordert “ein umfassendes Exportverbot, damit die zynischen Doppelstandards ein für alle Mal beendet werden”.

Pestizidexporte deutlich gestiegen

Tatsächlich ist Deutschland ein Pestizidexportland. In welchem Umfang gefährliche Ausgangsstoffe pur oder in Pflanzenschutzmitteln von hier aus in alle Welt geraten, haben jetzt die Nichtregierungsorganisationen “Public Eye” und “Unearthed” untersucht. Die Ergebnisse liegen Monitor exklusiv vor. Im Rahmen einer großangelegten Behördenabfrage wurden dafür 1500 Export-Dokumente ausgewertet. Diese müssen Unternehmen einreichen, wenn sie gefährliche Stoffe exportieren wollen, die in der EU nicht zugelassen sind.

Insgesamt 28 in der EU verbotene Stoffe wurden demnach vergangenes Jahr aus Deutschland zum Export angemeldet. Waren es im Jahr 2021 noch 9280 Tonnen Wirkstoffnettogewicht, hat sich die Menge laut der Untersuchung 2022 auf 18.360 Tonnen fast verdoppelt.

Die Konzerne betonen auf Anfrage von Monitor, man halte sich an alle Vorschriften. Ein Exportverbot in Deutschland und Europa könne zudem auch dazu führen, dass die entsprechenden Wirkstoffe “umgehend durch wenig nachhaltige chinesische Ware” ersetzt würden.

Die Stoffe seien in den Empfängerländern zugelassen und eine sichere Anwendung sei bei Einhaltung aller Schutzmaßnahmen und Sicherheitsstandards möglich. Man nehme die soziale Verantwortung sehr ernst und biete auch umfassende Schulungen und Beratung an zum sicheren Umgang mit den Produkten.

Quelle : tagesschau

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