EU-Industriegesetz: Solarbranche Warnt Vor Anti-China-Klauseln

Vor einem Treffen der EU-Industrieminister zum „Net-Zero Industry Act“ am Donnerstag (7. Dezember) warnen Vertreter der Solarbranche vor der Forderung des EU-Parlaments, chinesische Solarmodule von staatlichen Ausschreibungen auszuschließen.

Am Donnerstag werden die für Industriepolitik zuständigen Minister der 27 EU-Mitgliedstaaten den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen „Net-Zero Industry Act“ (NZIA) diskutieren und hoffen, eine gemeinsame Position zu finden.

Das Gesetz ist eines der Kernelemente des grünen Industrieplans von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zielt darauf ab, die heimische Produktion klimafreundlicher Technologien zu fördern.

Im Vorfeld des Treffens warnen jedoch Vertreter der Solarbranche, dass die im Europäischen Parlament angenommene Fassung des Gesetzes die Ausbauziele für erneuerbare Energien untergraben könnte. Der Vorschlag des Parlaments würde chinesische Solarpaneele, die 78 Prozent des Weltmarktes ausmachen, von staatlichen Förderprogrammen ausschließen, die mittels Ausschreibungen vergeben werden.

„Durch strenge Local-Content-Vorgaben im Net-Zero Industry Act würde Europa den Green Deal torpedieren und die eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz massiv untergraben“, sagte Carsten Pfeiffer, Abteilungsleiter für Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), gegenüber Euractiv.

„Günstige und massenhaft verfügbare PV-Module aus China wären über Nacht weitgehend von europäischen Ausschreibungen ausgeschlossen“, erklärte Pfeiffer. Er bezog sich dabei auf die Position des Europäischen Parlaments, die eine Obergrenze von maximal 50 Prozent  chinesischer „Net-Zero-Technologien“, darunter Solarmodulen, bei Ausschreibungen für erneuerbare Energien vorsieht.

In einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD/S&D) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Vorfeld des Treffens betonte der BNE, dass über 90 Prozent der Arbeitsplätze in der Solarbranche im Bereich Planung und Installation angesiedelt seien, während die Fertigung nur einen kleinen Teil der Arbeitsplätze ausmache. Die Produktion von Solarzellen wurde in Europa in den 2010er Jahren weitgehend aufgegeben.

„Diese Arbeitsplätze sollten nicht leichtfertig gefährdet werden“, warnte der Verband und forderte Habeck auf, den „scharfen Protektionismus“ des EU-Parlaments abzulehnen.

Ähnlich äußerte sich der Verband SolarPower Europe, der sowohl Hersteller als auch Installateure von Solarmodulen vertritt.

Die vorgeschlagenen Zugangskriterien für öffentliche Ausschreibungen seien „ein rotes Tuch für die Solarindustrie und für alle, die sich für Energiesicherheit und die Klimaziele der EU einsetzen“, sagte Dries Acke, Politikdirektor bei SolarPower Europe, in einer Erklärung.

„Zwei Dinge stimmen: Wir müssen härter daran arbeiten, die europäische Solarproduktion zu unterstützen. Und Europa muss Teil einer globalisierten Solarlieferkette sein, um die Klima- und Energieziele zu erreichen“, fügte er hinzu.

Ausschluss von Ausschreibungen für erneuerbare Energien

Die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Vorgaben würden nicht für Solaranlagen gelten, die von privaten Hausbesitzern auf Dächern installiert werden. Sie würden jedoch dazu führen, dass chinesische Produkte von Ausschreibungen für große Erneuerbaren-Projekte ausgeschlossen werden. Dies würde beispielsweise Solarparks treffen, die einen großen Teil des erwarteten Ausbaus der Solarenergie ausmachen.

Der Vorschlag kam ursprünglich von der französischen Regierungspartei Renaissance, welche den Net-Zero Industry Act zu einem „Buy European“-Gesetz machen möchte. Als Vorbild gilt dabei der Inflation Reduction Act der USA, welcher die Förderung grüner Technologien an die Bedingung einer Produktion in den USA knüpft.

Während sich das deutsche Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage nicht äußern wollte, signalisierte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire (Renaissance/Renew Europe) im Vorfeld des Ministertreffens Unterstützung für den Vorschlag.

„Wenn wir nicht in der Lage sind, den Grundsatz der ‚European content‘-Klauseln zu verteidigen, dann werden unsere Bemühungen umsonst gewesen sein, und unsere Unternehmen werden aufgeben“, sagte Le Maire am Dienstag (5. Dezember) auf der Wachstums- und Klimakonferenz in Paris.

Er sei bereit, für die Solarindustrie, das öffentliche Auftragswesen, die Entwicklung von Offshore-Windparks und die Automobilindustrie einen europäischen Anteil von 60 Prozent vorzuschreiben, „ohne den eine staatliche Förderung einfach nicht möglich ist.“

Das von Euractiv kontaktierte Team von Le Maire erklärte, dass diese 60-Prozent-Marke „ein politisches Ziel“ sei. Es wurde jedoch nicht klar, ob dies die offizielle Verhandlungslinie Frankreichs zum NZIA sei.

Solarindustrie hofft auf Ausnahme

Im ursprünglichen Vorschlag für den Net-Zero Industry Act hatte die Europäische Kommission ein politisches Ziel von 40 Prozent in Europa produzierter grüner Technologien bis 2030 vorgeschlagen, ohne dies allerdings zur Bedingung für Förderprogramme zu machen.

Der Vorschlag differenziert bisher nicht zwischen den verschiedenen Technologien, die darin enthalten sind, doch die Vertreter der Solarbranche wünschen sich eine Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen ihres Sektors.

„Die europäische Zell-Produktion könnte gerade einmal einen Monat lang die Nachfrage in Deutschland abdecken, die Modulproduktion etwa 10 Prozent des EU-Zubaus – und das mit überwiegend chinesischen Solarzellen“, sagte Pfeiffer und verwies auf einen aktuellen Bericht des Joint Research Center der Europäischen Kommission.

„Wir hoffen sehr, dass die Ratsmitglieder für mehr Marktrealität sorgen“, sagte er mit Blick auf die Verhandlungen der Mitgliedsstaaten. „Die Lösung ist ein technologiespezifischer Ansatz für die Festlegung und schrittweise Einführung von Präqualifikationskriterien in öffentlichen PV-Auktionen“, fügte er hinzu.

Nachdem der Rat der EU einen gemeinsamen Standpunkt angenommen hat, müssen sich Rat und Parlament im Rahmen der sogenannten Trilog-Verhandlungen noch auf die endgültige Fassung des Gesetzes einigen.

Quelle : EURACTIV

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