Eine 28-jährige deutsche Studentin und drei Komplizen sind für schuldig befunden worden, eine Reihe von Angriffen auf Mitglieder der deutschen Neonazi-Szene verübt zu haben. In einem der aufsehenerregendsten Prozesse gegen eine Gruppe militanter Linker seit diesen Tagen der Baader-Meinhof-Gruppe.
Die Frau, die im Einklang mit den strengen deutschen Datenschutzgesetzen nur als „Lina E“ bezeichnet wurde, wurde am Mittwoch inmitten chaotischer Szenen vor einem Gericht in Dresden, Ostdeutschland, zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Drei mitangeklagte Männer im Alter zwischen 28 und 37 Jahren erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten und drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Es wird angenommen, dass mindestens fünf weitere Mitglieder des Anti-Neonazi-Netzwerks, darunter auch Lina E’s Lebensgefährtin, auf freiem Fuß sind und weiterhin im Untergrund agieren. Ein Bericht des deutschen Kriminalamts bestätigt, dass die Gruppe eine Professionalität an den Tag gelegt hat, wie sie zuletzt in der EU zu beobachten war Tage der Roten Armee Fraktion.
Die umgangssprachlich als Baader-Meinhof-Gruppe bekannte Rote-Armee-Fraktion war ein militantes linkes Stadtguerillanetzwerk, das von 1970 bis Anfang der 1990er Jahre in Westdeutschland Sprengstoffanschläge und Attentate verübte. Viele seiner Mitglieder sind seitdem verschwunden und wurden nie vor Gericht gestellt.
In der Anklageschrift gegen Lina E. und ihre Komplizen wurden zwischen August 2018 und Sommer 2020 sechs gewalttätige Angriffe in den östlichen Bundesländern Thüringen und Sachsen aufgeführt, bei denen 13 Menschen verletzt wurden, zwei davon lebensgefährlich.
Bei den Opfern handelte es sich meist um bekannte Rechtsextremisten oder Personen, die die Gruppe als solche wahrnahm. Leon R, ein Barkeeper, der Anfang des Monats wegen Bildung einer rechtsextremen Gruppierung angeklagt wurde, wurde Ende 2019 in seiner Bar in der Stadt Eisenach mit Hämmern, Knüppeln und Pfefferspray angegriffen.
In mindestens einem Fall schien die ideologische Zugehörigkeit des Opfers weniger klar gewesen zu sein. Maskierte Angreifer verprügelten im Januar 2019 im Leipziger Stadtteil Connewitz einen 31-Jährigen, weil dieser einen schwarzen Hut der in rechtsextremen Kreisen beliebten deutschen Bekleidungsmarke Greifvogel trug. Vor Gericht bezeichnete der Mann den Hut als Geschenk eines Freundes und beharrte darauf, dass er einer Neonazi-Szene, der er als Teenager angehört hatte, längst den Rücken gekehrt habe.
Während des Prozesses, der im September 2021 begann, wurde die gebürtige Kasselerin Lina E zu einer modernen Ikone in deutschen linken und anarchistischen Kreisen. Der Graffiti-Slogan „Free Lina“ ist regelmäßig auf Gebäuden in Berlin, Hamburg und Leipzig zu sehen.
Von dem Moment an, als Lina E den Saal betrat, kam es am Dresdner Gericht zu lauten Szenen. Etwa 100 Unterstützer jubelten ihrem Erscheinen von den Tribünen zu und der Richter musste um Ruhe bitten, um seine Argumentation lesen zu können.
Einige der Unterstützer der Gruppe auf der Tribüne riefen „Faschistenfreunde!“ und äußerten den Vorwurf, dass die deutsche Justiz in der Vergangenheit bei der Betrachtung der Verbrechen rechter Militanter vorsätzlich blind gewesen sei.
Der Richter selbst schien „bedauerliche“ Mängel in Gerichtsverfahren einzuräumen, in denen Neonazi-Anhänger glimpflich davonkommen gelassen wurden. Er beschrieb den Rechtsextremismus als die größere Bedrohung für das Land, sagte aber auch, dass selbst Nazis unveräußerliche Rechte hätten, so verwerflich ihre Ideologie auch sei.
Sein Urteil gegen den Hauptangeklagten fiel milder aus als die von der Staatsanwaltschaft geforderte Freiheitsstrafe von acht Jahren. Dennoch haben linke Gruppen am Samstag zu Protesten gegen das Urteil aufgerufen, bei denen es in Dresden und Leipzig zu Kundgebungen kommen wird.
Quelle: The Guardian