Der grüne Wirtschaftsminister fährt einen China-kritischen Kurs. Deutsche Firmen setzen aber weiter auf das Reich der Mitte – und dafür gibt es Gründe.
Das Volumen deutscher Direktinvestitionen in China belief sich im ersten Halbjahr auf etwa 10,31 Milliarden Euro und lag damit in der Nähe des im ersten Halbjahr 2022 erzielten Allzeit-Höchststandes von 12 Milliarden Euro, wie aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hervorgeht, aus der die Nachrichtenagentur Reuters zitiert.
Daten der Bundesbank zeichnen ein ähnliches Bild. Demzufolge beliefen sich die deutschen Direktinvestitionen im ersten Halbjahr auf 10,9 Milliarden Euro.
Die Attraktivität, die deutsche Unternehmen dem chinesischen Wirtschaftsstandort beimessen, wird noch anschaulicher, wenn die Zahlen mit den gesamten Direktinvestitionen deutscher Firmen weltweit verglichen werden.
Deren Umfang schrumpfte zwischen dem ersten Halbjahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 drastisch von 104 Milliarden Euro auf nur noch 63 Milliarden Euro. Als Folge davon stieg der Anteil Chinas an Deutschlands Gesamtinvestitionen im Ausland von 11,6 Prozent auf nun 16,4 Prozent.
China bleibt attraktiv
Chinas Attraktivität basiert auf mehreren Faktoren, zu denen eine gut ausgebaute Infrastruktur, ein großes Reservoir an gut ausgebildeten Arbeitskräften, ein immenser Binnenmarkt, politische und gesellschaftliche Stabilität, ein im weltweiten Vergleich überdurchschnittliches Arbeitsethos und günstige Energiepreise gehören.
Vor allem letztere dürften für global operierende deutsche Konzerne wie BASF oder Volkswagen den Ausschlag geben, energieintensive Produktionskapazitäten aus Deutschland abzuziehen und nach China zu verlagern.
Ergebnisse einer im August veröffentlichen Kantar-Umfrage für die Unternehmensberatung FTI-Andersch bestätigen diese Sichtweise.
„Der Standort Deutschland hat für viele Unternehmen deutlich an Attraktivität verloren“, sagte Mike Zöller, Vorstand von FTI-Andersch. Grund seien etwa viel zu hohe Energiepreise und die Verfügbarkeit von Energie als Folge der Energiewende, das immense regulatorische und bürokratische Umfeld sowie der Fachkräftemangel.
Bei dem größten Teil (rund 8,5 Milliarden Euro) der 10,3 Milliarden Euro, die deutsche Firmen im ersten Halbjahr in China investierten, handelt es sich um Reinvestitionen aus in China generierten Gewinnen. Reuters zufolge ist dies ein Anzeichen dafür, dass Konzerne „ihre Wetten auf das Land verdoppeln.“
Deutschland mit Vorreiterrolle
Deutsche Unternehmen bilden den Kern des europäischen Engagements in China. Wie aus einer Studie der Rhodium Group aus dem Jahr 2022 hervorgeht, entfallen 87 Prozent aller europäischer Investitionen im Reich der Mitte zwischen 2018 und 2021 auf nur vier Länder (Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und Frankreich) – 43 Prozent davon alleine auf deutsche Firmen.
„Dies unterstreicht die überwältigende Dominanz speziell der deutschen Unternehmen, die – wie die Rhodium Group anmerkt – zu den frühen Vorreitern auf dem chinesischen Markt gehörten und die in kapitalintensiven Produktions- und Ingenieursindustrien konzentriert sind, welche im vergangenen Jahrzehnt ein starkes Wachstum in China erlebt hatten“, schreibt China Briefing.
Das Engagement der Europäer in China wird zudem von nur einer Handvoll großen Unternehmen beziehungsweise Branchen dominiert. So entfielen der Studie zufolge rund 70 Prozent der europäischen Direktinvestitionen im Jahr 2021 auf die Bereiche Automobilbau, Lebensmittel, Pharmazeutik und Biotechnologie, Chemie sowie die Herstellung von Konsumgütern.
Politischer Druck aus Berlin
Die weiterhin robuste Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen in China kontrastiert mit den Zielen, die das grüne Wirtschaftsministerium unter Minister Robert Habeck gegenüber dem Land verfolgt. Diese orientieren sich an einer auch von der Europäischen Union abgesegneten Strategie des „De-Risking“, also des Abbaus von Abhängigkeiten von chinesischen Geschäftspartnern und der Suche nach Alternativen.
Überhaupt verfolgen die Grünen eine konfrontative Ausrichtung gegenüber China, seitdem sie mit dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium wichtige Posten in der Ampel-Koalition übernommen haben. Außenministerin Annalena Baerbock nannte Chinas Staatspräsident vor einigen Wochen sogar einen „Diktator“ – ein Affront, der in der Welt der internationalen Beziehungen als Zeichen von mangelnder Professionalität von Deutschlands oberster Diplomatin gewertet werden muss.
Am liebsten wäre der Partei wohl eine teilweise Abkopplung der deutschen Wirtschaft („De-Coupling“) von China gewesen – diese Ideen wurden aber von den beiden anderen Koalitionsparteien abgewiesen, nachdem Wirtschaftsvertreter auf den immensen Schaden hinwiesen, welche Deutschland bei Realisierung der grünen Träumereien erlitten hätte.
Die grüne Strategie des „De-Risking“ kann in ihrer Essenz als Teil der amerikanischen Druckkampagne gegen China identifiziert werden, welche sich neben Instrumenten wie Wirtschaftssanktionen auch auf den Aufbau militärischer Kapazitäten in der geografischen Nachbarschaft Chinas stützt.
Möglicherweise wirkt das „De-Risking“ bereits. Wie das IW Köln in einer Studie berichtet, schwächte sich der Handelsverkehr zwischen Deutschland und China im ersten Halbjahr verglichen mit dem ersten Halbjahr des Vorjahres bereits merklich um 8 Prozent (Exporte) und 17 Prozent (Importe) ab. China ist seit sieben Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner.
Zu China gibt es für viele deutsche Unternehmen weiterhin keine wirklich tragfähige Alternative. Rund 84 Prozent der jetzt schon in China tätigen Firmen wollen der bereits zitierten Kantar-Umfrage zufolge auch dort bleiben. Etwa 73 Prozent schließen aus, Teile ihres Produktionsnetzwerks aus China zu verlagern – gut jeder Fünfte will in Asien künftig stärker diversifizieren und arbeitet gerade an einem dezentraleren Produktionsnetzwerk. Insgesamt 58 Prozent der Unternehmen arbeiten daran, ihr Lieferantennetzwerk auch in anderen Ländern Asiens auszubauen, 50 Prozent wollen ihre europäischen Lieferketten verbessern.
Fazit: Die deutsche Politik wäre gut beraten, sich primär um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu kümmern, welche in den vergangenen Jahren arg gelitten hat, anstatt sich in die Belange der Wirtschaft einzumischen und Unternehmen zu einem so nicht notwendigen Umbau ihrer Lieferketten zu drängen.
Quelle : deutsche-wirtschafts-nachrichten.de