Aufregung um Umfrage zur Männlichkeit

Eine Umfrage über das Männerbild von jungen Menschen hat am Wochenende für viel Aufregung gesorgt. Demnach findet es jeder Dritte in Ordnung, Gewalt gegen Frauen auszuüben. Doch an der Methodik der Befragung gibt es viel Kritik.

Misogyne Vorbilder, Ablehnung von Homosexuellen und Akzeptanz für häusliche Gewalt: Für viele junge Männer in Deutschland ist das offenbar Teil ihres Männlichkeitsbilds – zumindest legen das die Ergebnisse der Umfrage “Spannungsfeld Männlichkeit” der Nichtregierungsorganisation Plan International nahe. Zahlreiche Medien berichteten darüber, darunter auch die tagesschau und tagesschau.de. Doch lässt die Online-Umfrage diese Schlüsse überhaupt zu?

Eher nicht, sagt Katharina Schüller, Vorstandsmitglied der Deutschen Statistischen Gesellschaft. “Ich finde es erstaunlich, dass so viele Medien erst einmal unkritisch über diese Umfrage berichtet haben, ohne vorher einmal nachzufragen”, sagt sie. “Ich erhoffe mir eigentlich eine höhere Kompetenz im Umgang mit Daten in den Redaktionen.” Denn nach Ansicht von Schüller gibt es einige Kritikpunkte, die die Aussagekraft der Umfrage schmälern.

Quoten “auf Basis amtlicher Statistiken”

Für die Umfrage wurden 1.000 Männer und 1.000 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren per Online-Fragebogen über ihre Ansichten zu zehn Aspekten von Männlichkeit abgefragt. Frauen und Männer bekamen nach Angaben von Marktforscher Eckhard Preis, der die Umfrage für Plan entworfen hat, jeweils einen anderen Fragebogen. Homosexuelle Männer bekamen einen angepassten Fragebogen, in dem das Wort Partnerin durch Partner ersetzt wurde. Insgesamt handelte es sich nach Angaben von Preis um 44 Aussagen, die die Befragten mit einer vierstufigen Skala bewerten sollten (stimme gar nicht zu, stimme eher nicht zu, stimme eher zu, stimme voll und ganz zu).

Dies sei dann im zweiten Schritt für die Umfrage in Zustimmung oder Ablehnung zusammengefasst worden, ohne die einzelnen Differenzierungen. “Für uns zählte einfach nur die Zustimmung, nicht der Grad der Zustimmung”, sagt Preis.

In dem Bericht von Plan heißt es zudem, dass “auf Basis der amtlichen Statistiken Quoten-Vorgaben gemacht” wurden, um die “Repräsentativität der Stichprobe zu sichern”. “Wir haben drei Altersgruppen gebildet und wir haben das kombiniert mit geringer Bildung und höherer Bildung”, sagt Preis. “Also haben wir im Prinzip sechs Gruppen.” Zudem habe es noch eine Regionalquote gegeben, um Teilnehmer aus verschiedenen Gebieten zu befragen. Dafür sei Deutschland in vier Regionen aufgeteilt worden.

“Aus statistischer Sicht einfach falsch”

Diplom-Statistikerin Schüller bemängelt vor allem, dass es an Informationen darüber fehlt, wie die Stichprobe für die Umfrage rekrutiert wurde. “Die Quoten-Vorgaben sind zu kurz gedacht”, sagt Schüller. Bei Onlinebefragungen sei wegen der Panels eine grundlegende Verzerrung in den Daten sehr wahrscheinlich. Ein Panel bezeichnet die Menschengruppe, auf die für Befragungen zurückgegriffen wird.

In solchen Online-Panels seien oftmals eher Menschen drin, die mitteilungsbedürftig oder neugierig seien und zudem eine gewisse Technikaffinität besäßen. Darauf weisen auch die Autoren der Befragung selbst hin. “Das sind nicht unbedingt Dinge, die man korrigiert, indem man zum Beispiel nach Schulbildung, Alter oder Region gewichtet”, sagt Schüller. “Das ist aus statistischer Sicht einfach falsch.”

Anwerben von Teilnehmern fördere Homogenität

Schüller zufolge hätte vorher geprüft werden müssen, welchen Bias (deutsch: Verzerrung) es in der Gesamtheit des Panels gibt, um Abschätzungen darüber zu machen, wie groß sich diese Verzerrung auf die Daten auswirke. Hinzu komme, dass die Befragten des Marktforschungsinstituts nicht nur für die Teilnahme bezahlt werden, sondern auch für das Anwerben neuer Teilnehmer. “Das fördert eher die Homogenität als Heterogenität in diesem Panel”, sagt Schüller.

Nach Ansicht von Marktforscher Preis ist immer die Herausforderung, alle möglichen Verzerrungen zu verhindern, denn: “Es nehmen insgesamt bei Umfragen bestimmte Menschen eher teil als andere.” Allerdings gelte das für jede Art der Befragung, ob online oder zum Beispiel per Telefon. “Man ist in der Marktforschung auf Menschen angewiesen, die irgendwie bereit sind, Auskunft zu geben.”

Auch dass die Antwortmöglichkeiten im Ergebnis zusammengefasst worden sind, sei methodisch nicht ganz sauber, kritisiert Schüller. Es gebe andere Instrumente in der Sozialforschung, um beispielsweise mit Tendenzen umzugehen, dass jemand bei einer Skala nie volle Zustimmung oder Ablehnung auswählt. Anstatt die Antwortoptionen zusammenzufassen, sei es daher sinnvoller, Menschen mit solchen Antworttendenzen zu identifizieren und herauszurechnen.

“Aus statistischer Sicht einfach falsch”

Diplom-Statistikerin Schüller bemängelt vor allem, dass es an Informationen darüber fehlt, wie die Stichprobe für die Umfrage rekrutiert wurde. “Die Quoten-Vorgaben sind zu kurz gedacht”, sagt Schüller. Bei Onlinebefragungen sei wegen der Panels eine grundlegende Verzerrung in den Daten sehr wahrscheinlich. Ein Panel bezeichnet die Menschengruppe, auf die für Befragungen zurückgegriffen wird.

In solchen Online-Panels seien oftmals eher Menschen drin, die mitteilungsbedürftig oder neugierig seien und zudem eine gewisse Technikaffinität besäßen. Darauf weisen auch die Autoren der Befragung selbst hin. “Das sind nicht unbedingt Dinge, die man korrigiert, indem man zum Beispiel nach Schulbildung, Alter oder Region gewichtet”, sagt Schüller. “Das ist aus statistischer Sicht einfach falsch.”

Anwerben von Teilnehmern fördere Homogenität

Schüller zufolge hätte vorher geprüft werden müssen, welchen Bias (deutsch: Verzerrung) es in der Gesamtheit des Panels gibt, um Abschätzungen darüber zu machen, wie groß sich diese Verzerrung auf die Daten auswirke. Hinzu komme, dass die Befragten des Marktforschungsinstituts nicht nur für die Teilnahme bezahlt werden, sondern auch für das Anwerben neuer Teilnehmer. “Das fördert eher die Homogenität als Heterogenität in diesem Panel”, sagt Schüller.

Nach Ansicht von Marktforscher Preis ist immer die Herausforderung, alle möglichen Verzerrungen zu verhindern, denn: “Es nehmen insgesamt bei Umfragen bestimmte Menschen eher teil als andere.” Allerdings gelte das für jede Art der Befragung, ob online oder zum Beispiel per Telefon. “Man ist in der Marktforschung auf Menschen angewiesen, die irgendwie bereit sind, Auskunft zu geben.”

Auch dass die Antwortmöglichkeiten im Ergebnis zusammengefasst worden sind, sei methodisch nicht ganz sauber, kritisiert Schüller. Es gebe andere Instrumente in der Sozialforschung, um beispielsweise mit Tendenzen umzugehen, dass jemand bei einer Skala nie volle Zustimmung oder Ablehnung auswählt. Anstatt die Antwortoptionen zusammenzufassen, sei es daher sinnvoller, Menschen mit solchen Antworttendenzen zu identifizieren und herauszurechnen.

Mehrheit hat keine Vorbilder genannt

Die Frage nach einem Vorbild war nach Angaben von Preis offen gestaltet worden. In dem Bericht von Plan heißt es dazu, dass die befragten Männer am häufigsten Fußballspieler Cristiano Ronaldo, Unternehmer Elon Musk sowie Ex-Kampfsportler und Influencer Andrew Tate als prominente Vorbilder genannt hätten. “Letzterer erlangte vor allem aufgrund seiner misogynen und gewaltverherrlichenden TikTok-Videos Berühmtheit”, heißt es im Bericht.

Allerdings weist Preis darauf hin, dass die meisten geantwortet haben, dass sie kein Vorbild haben. Nur 23 Prozent nannten überhaupt ein Vorbild, davon die meisten den eigenen Vater. Durch die hohe Varianz an Nennungen seien daher die Nennungen von Tate oder Musk im niedrigen zweistelligen Bereich zu verorten – bei 947 gültigen ausgefüllten Fragebogen von Männern.

Schüller wünscht sich mehr Transparenz

Insgesamt haben nach Angaben der Autorinnen des Berichts 104 Personen die Fragebögen fehlerhaft ausgefüllt. Auch hier wünscht sich Schüller mehr Transparenz, woran das gelegen haben könnte. “Mir stellt sich die Frage, ob es eine Validierung des Fragebogens im Vorfeld gab.” Zudem sei auch die Anzahl der Teilnehmer interessant, die den Fragebogen erst gar nicht beantwortet haben, die sogenannten Non-Responder. Diese Quote wiederum könne auf eine selektive Stichprobe hinweisen, zum Beispiel weil die Gruppe der Responder tendenziell andere Antworten gegeben haben als es die der Non-Responder getan hätte.

“Der sogenannte Non-Response Bias ist ein kritisches Thema, das man nicht vernachlässigen darf”, sagt Schüller. “Und eine saubere Umfrage würde das alles dokumentieren.” Wie viele Non-Responder es gegeben hat, kann Preis nicht sagen. “Das ist eine Sache des Panel-Betreibers, der dafür zuständig ist, für uns die Menschen zu rekrutieren. Und der lädt natürlich mehr Menschen ein, als am Schluss teilnehmen. Aber wie das Verhältnis ist, kann ich nicht sagen.”

Um den Fragebogen vorab zu testen, werde er intern auch von unbefangenen Personen bearbeitet, sagt Preis. “So kommen wir möglichen Verständnisproblemen auf die Spur und können die Fragebogen-Texte weiter optimieren.” Preis sagt auch, dass es Unterschiede zu wissenschaftlichen Publikationen gebe. “Was wir machen, richtet sich an die Öffentlichkeit und nicht an ein Fachpublikum. Wir haben auch kürzere zeitliche Abläufe und können auf keine staatlichen Forschungsgelder zurückgreifen.”

Durch das Befolgen der Branchenstandards und der Richtlinien der Branchenverbände, sowie durch Maßnahmen wie die Quotierung der Stichprobe zur Gewährleistung von Repräsentativität, würden er und seine Mitstreiter ebenso zu belastbaren Aussagen gelangen, sagt Preis.

“Männer neigen eher zu konservativem Rollenbild”

Aus Sicht von Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie der Universität zu Köln sind viele Erkenntnisse der Umfrage von Plan wenig überraschend. “Was man in Studien sieht, ist, dass auch heutzutage das biologische Geschlecht eine zentrale Einflussgröße darauf ist, wie die Geschlechterrollen gesehen werden.” Tendenziell verhielten sich Männer deutlich rollenkonformer und versuchten, das traditionelle Männerbild zu bedienen. “Männer scheinen eher zu einem konservativen Rollenbild zu neigen und Frauen eher zu einem egalitären.”

In der Forschung sei in diesem Zusammenhang von hegemonialer Männlichkeit die Rede, sagt Bögelein. “Das ist das kulturelle Ideal, das eine Männerdominanz ausstrahlt, eine komplementäre hierarchische Arbeitsteilung und letztlich auch eine vorherrschende Heterosexualität. Also eine deutliche Orientierung dazu, dass es eben sehr traditionell sein soll, so wie das eben ‘schon immer’ war.”

Gewalt in Partnerschaft ein männliches Problem

Das Bild der hegemonialen Männlichkeit mache für Männer möglicherweise Gewalthandeln eher attraktiv als für Frauen. “In den Hellfeldstatistiken sehen wir ganz klar, dass Frauen sehr viel häufiger von Partnerschaftsgewalt betroffen sind als Männer”, sagt Bögelein. “Und wir sehen: Wenn Frauen Opfer von Gewalt werden, dann überwiegend durch den Partner oder Ex-Partner.” Nach Angaben der polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2021 rund 140.000 Fälle von Partnerschaftsgewalt in Deutschland. 80 Prozent der Opfer waren weiblich, knapp 79 Prozent der Täter männlich.

Laut Bögelein spielen dabei Faktoren wie Bildung oder Herkunft keine entscheidende Rolle bei den männlichen Tätern. “Gewalt in Partnerschaften gibt es in allen Bevölkerungsschichten.”

Auch dass viele junge Männer feindlich gegenüber Homosexuellen eingestellt sind, überrasche sie nicht, sagt Bögelein. In einer Studie der Antidiskiminierungsstelle des Bundes gaben 44,3 Prozent der männlichen Befragten an, es eher unangenehm bis sehr unangenehm zu finden, wenn zwei Männer sich in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung zeigen. Bei der Umfrage von Plan waren es 48 Prozent. Insgesamt stimmten Männer der Studie der Antidiskriminierungsstelle zufolge doppelt so häufig queerfeindlichen Aussagen zu als Frauen.

Familienministerium will Geschlechterrollen aufbrechen

Einer Sprecherin des Bundesfamilienministeriums zufolge widersprechen auch einige der Ergebnisse der Umfrage von Plan den Erkenntnissen aus anderen Befragungen. In der Studie “Männer-Perspektiven” haben sich beispielsweise lediglich 23 Prozent der Befragten für eine teiltraditionelle Partnerschaft ausgesprochen und nur sieben Prozent für eine konsequent traditionelle Partnerschaft – bei Plan waren es etwa die Hälfte der Befragten.

Allerdings würden konventionelle Leitbilder von Männlichkeit immer noch die Mehrheit stellen. Daher seien das Aufbrechen von Geschlechterrollen, Gewaltschutz und die Stärkung fürsorgender Männer und Väter wichtige Ziele der Politik.

Quelle : tagesschau

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