Die Zahl der Asylbewerber steigt – aus Sicht von NRW-Ministerpräsident Wüst (CDU) sollte deshalb über Asylverfahren außerhalb Europas diskutiert werden. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Dürr, der darin “eine Frage der Menschlichkeit” sieht.
Angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern in Deutschland fordert der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), nun ernsthaft Asylverfahren außerhalb Europas in Betracht zu ziehen. “Irreguläre Migration muss beendet werden, damit wir denjenigen Menschen gerecht werden können, die wirklich unsere Hilfe brauchen, weil sie vor Krieg und Vertreibung fliehen”, sagte Wüst der “Süddeutschen Zeitung”.
Werben für “Abkommen mit Leistung und Gegenleistung”
Wüst schlug vor, dass gegen finanzielle Zusagen entsprechende staatliche Abkommen geschlossen werden. Ähnlich wie beim EU-Türkei-Abkommen müssten mit weiteren Ländern, vornehmlich in Nordafrika, Vereinbarungen getroffen werden, um Flüchtlinge nach einem Aufgreifen in Europa direkt in Partnerländer entlang der Fluchtrouten bringen zu können, “damit dort Verfahren und Schutzgewährung nach rechtsstaatlichen Regeln stattfinden”.
Wer keinen Schutzstatus erwarten könne, werde dann erst gar nicht nach Deutschland einreisen, so Wüst. “Dabei müssen wir diese Partnerländer finanziell unterstützen. Es geht um Abkommen mit Leistung und Gegenleistung”, erklärte er. Ein Partnerstaat etwa in Nordafrika solle sich dazu bereit erklären, jeden, der irregulär die See- und Landgrenzen von seinem Land in Richtung der Europäischen Union überschreitet, wieder zurückzunehmen.
Auch FDP für Asylverfahren in Drittländern
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der “Süddeutschen Zeitung”, auch seine Partei befürworte Asylverfahren in Drittländern außerhalb der EU. “Eine solche Regelung würde Klarheit über den Schutzstatus schaffen und verhindern, dass sich Menschen ohne Perspektive auf die gefährliche Route übers Mittelmeer begeben. Das ist auch eine Frage der Menschlichkeit”, sagte er.
Skepsis bei Bundeskanzler Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz nahm die Vorschläge skeptisch auf. Es gebe viele Vorschläge, bei denen man sich fragen müsse, was Drittstaaten dazu meinten, sagte Scholz am Dienstag in Accra, der Hauptstadt Ghanas, auf eine entsprechende Frage. “Das wäre jedenfalls ein höflicher Rat”, fügte er hinzu. Man müsse “einen kühlen Kopf” bewahren und sich immer fragen, ob andere Staaten bei dem Thema Migration überhaupt kooperieren wollten.
Scholz riet dazu, sich auf die Themen zu konzentrieren, die bereits umgesetzt würden. Man werde danach aber dem Vorschlag der Bundesländer folgen, wonach Asylverfahren für Länder mit niedriger Anerkennungsquote auf dem Verwaltungsweg beschleunigt werden sollen, so dass Entscheidungen jeweils innerhalb von drei Monaten fallen sollen.
Über 300.000 Asylanträge erwartet
Wüst und Dürr äußerten sich kurz vor einem Bund-Länder-Gipfel am 6. November, bei dem es auch um die Asylpolitik gehen soll. Angesichts des Zustroms von Asylbewerbern wächst vor dem Termin auch in der Ampel-Koalition die Befürchtung, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte.
Im Jahr 2022 kamen neben etwa einer Million Menschen aus der Ukraine 244.000 Menschen aus anderen Staaten, in diesem Jahr werden bis zu 300.000 erwartet, bis September wurden in Deutschland mehr als 250.000 Asylanträge gestellt, davon über 233.000 Erstanträge.
Auch in der SPD wachsen die Bedenken
Aufgrund dieser Entwicklung denken nach Informationen der “Süddeutschen Zeitung” auch SPD-Abgeordnete inzwischen darüber nach, Asylverfahren etwa in afrikanischen Ländern abzuwickeln – nach dem Vorbild Großbritanniens, dessen Regierung beabsichtigt, Asylbewerber nach Ruanda zu schicken, damit dort rechtsstaatliche Verfahren stattfinden.
Die Idee von Flüchtlingszentren in Drittländern ist auch nicht neu. In der EU wurde sie schon im Jahr 2014 diskutiert. Auch die Ampel-Regierung prüft eine Umsetzbarkeit schon länger.
Beispielsweise Ägypten lehnte die Abwicklung von Asylverfahren in solchen Einrichtungen aber mit Hinweis auf seine Souveränität ab. Zudem gab es Gespräche mit der Regierung in Kairo über die Rückführung von Flüchtlingen, auch wenn diese nicht ägyptische Staatsangehörige sind, die allerdings ohne greifbares Ergebnis blieben.
Quelle : br.de